Tonga und die Transvestiten

Miriam

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Ich habe einen vielleicht für Euch interessanten Beitrag gefunden. Er zeigt, dass Transvestiten (TVs) und Transsexuelle (TS) durchaus auch akzeptiert werden.

Hier der ganze Text:

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Tonga: Die Transvestiten des Königs

Sendung vom 15.07.2007 19:20 Uhr (NDR)


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Sie halten sich für Frauen - in Männerkörpern. Sie nennen sich Leitis, weil sie beinahe sind wie echte Ladys. Aufs Damenklo gehen sie auch. Und: Sie lieben richtige Männer.
Wir sind auf Tonga, 100.000 Einwohner leben auf mehreren Inseln, die meisten wohnen in der kleinen Hauptstadt Nuku’alofa. Es ist ein Königreich. Touristisch zweite Südseeliga - aber Postkartenmotive muss man trotzdem nicht lange suchen.
Ein Mann als Mutter - Auf Tonga kein Problem

Joey Mataele ist 44, männlich, schon als Kind benahm er sich sehr weiblich. Proben für die Miss Galaxy Wahl, eine der schrillsten Shows der Südsee. "Denkt dran, sagt Leiti Joey Mataele", ihr tretet zuerst im Männerlook auf, also keine Titten, keine Lippenstifte, nichts von all dem, ihr seid Männer, durch und durch."
Und tiefer sprechen müssen sie auch. "Guten Abend meine Damen und Herren”, sollen sie sagen. Schon die Vorstellung amüsiert die fröhliche Runde. "Ich glaube", sagt Joey Mataele, "dass ich eine Frau bin und bleiben werde, ich arbeite wie eine Frau. Ich mache alles wie eine Frau."

Das ist seine Tochter Tamara, Joey holt sie und ihre Cousine vom Kindergarten ab. Joey hat fünf Kinder adoptiert - drei sind schon erwachsen und ausgezogen, ein Adoptivsohn ist gerade zu Besuch bei seinen richtigen Eltern. Alle Kinder stammen aus der Verwandtschaft. Tamara etwa wurde unehelich geboren, bei den anderen sprang Joey aus finanziellen Gründen ein. Ein Mann als Mutter. Auf Tonga kein Problem.
Schon als die ersten westlichen Seefahrer Tonga erreichten, stellten sie verwundert fest, dass es neben den echten Frauen noch andere gab. Die Fakaleitis oder kurz Leitis sind traditionell ein Art drittes Geschlecht in der Südsee. Im heutige Tonga engagieren und arbeiten sie in vielen Bereichen der Gesellschaft und werden von der Bevölkerung weitestgehend akzeptiert.

Gottesdienst: Der neue König George ist gekommen. Er gilt als cleverer Geschäftsmann, aber auch als extravaganter Liebhaber von Spielzeugsoldaten und westlichen Militäruniformen, selten zeigt er sich dem Volk.
Joey ist sehr gläubig und schneidet außerdem dem König die Haare. Seine Familie hat enge Beziehungen zum Königshaus. Joey verehrt die Royals auch, weil diese die Leitis unterstützen.
Doch Tonga ist in Aufruhr

Das Volk will seit langem mehr Demokratie und eine gerechtete Verteilung des Wohlstands. Der Zorn entlud sich erst im November mit Demonstrationen, brennenden Häusern und acht Toten. Die Villa des Königs. Seine Familie ist durch zum Teil dubiose Geschäfte sehr reich geworden. Das Volk hofft trotzdem, dass König George Veränderungen bringen wird und vielleicht schon die bald die ersten richtigen Wahlen.
Joeys Haus. Nachbarin Amy ist gerade da und sucht nach einer Perücke für den Abend. Tongas Leitis suchen Beziehungen zu heterosexuellen Männern, niemals zu anderen Leitis. Auch Amy hält sich für eine Frau.
Männer in Frauenkleidern - für die vierjährige Tamara ist das Alltag. Noch fragt sie nicht, warum ihre Mutter anders ist. Wenn es soweit ist, wird Joey ihr das gleiche sagen wie seinen anderen Kindern: Dass man als Mensch zu dem stehen müsse, was man ist. Viele von Tongas Leitis können sich Geschlechtsumwandlungen nicht leisten, Joey könnte es, aber er ist auch ohne eine überzeugende Sie: "Ich bin ein Schuh- und Handtaschenfanatiker, das ist nur die Hälfte, die anderen sind im Kleiderschrank. Es ist schrecklich, es ist schlimme Sucht."
Sagen wir also sie: Joey ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau, mit Frisörsalon. Sie organisiert außerdem Hochzeiten, ist professionelle Sängerin und arbeitet für Prinzessin Pilolevu, die Schwester des Königs. So dick trägt sie nur für die Bühne auf.
Zwei echte weibliche Angestellte kümmern sich um Tamara und den Haushalt. Joey hat wie die meisten Leitis keinen festen Lebenspartner. Männer betrachten Leitis meist eher als ein kurzes ungewöhnliches Abenteuer. Ehefrauen sehen in ihnen daher durchaus Konkurrentinnen.
Abschied von Tamara, die Kleine möchte noch mal gedrückt werden. Dann sagt sie: Tschüss Mami.
Der erste Abend: Prinzessin Pilolevu in einem traditionellen Mattenrock. Sie trägt noch Trauer, weil ihr Vater - der wegen seiner Leibesfülle berühmte König von Tonga im letzten Jahr gestorben ist. Im Alltag ist Joey ihre rechte Hand. Heute moderiert Joey die Miss-Galaxy-Wahl.
Leitis gelten als Menschen mit gutem Geschmack

Neun Teilnehmer - auch aus Neuseeland und Australien - zunächst im ungewohnten Männerlook. Leitis gelten als Menschen mit gutem Geschmack, viele werden als Frisörinnen, Köchinnen oder auch im Hofstaat der königlichen Familie geschätzt. Drei Abende dauert die Miss-Galaxy-Wahl mit wilden und eleganten Kostümen. In der Jury sitzen einige der vielen Sponsoren und im Publikum alle Altersgruppen. Das traditionsbewusste christliche Tonga wird zum Tollhaus, wenn Amy mit dem Mikrophon tanzt. Viele Showeinlagen, einige auch mit Botschaften. Leiti Vanessa ist schwanger, aber vom falschen Mann. Das Publikum feiert sie für ihre überzeugende Darstellung, mit der sie junge Tonganer zum Sex mit Kondomen animieren will.
"Wenn ich ein Mädchen wäre", sagt Vanessa (alias Vaingalo Tamalo), "dann würde ich Kondome benutzen, bis ich sicher bin, dass ich den richtigen gefunden habe. Und dann würde ich ihm ein Kind geben oder so etwas."
Am nächsten Tag besuchen wir Vanessa in diesem Dorf. Einige Familien betrachten es Schande, wenn ihre Söhne zu Leitis werden. Für andere ist es eine willkommene Wandlung. Vanessa zum Beispiel übernimmt in der Familie bis heute die traditionellen Mädchenaufgaben, sie putzt, macht die Wäsche, kümmert sich um die alte Mutter. Sie fühlte sich von klein an wie ein Mädchen, und die Eltern haben ihre Weiblichkeit gefördert, schenkten Kleider und Schminke. Denn in Tonga brauchen Familien traditionell ein Mädchen. Die Tamalos bekamen elf Jungen, die einzige Tochter starb vor langer Zeit.
Vanessa Tamalo erzählt: "Wenn jemand heiratet, bei einer Beerdigung oder bei anderen Sachen können nur Mädchen der Mutter helfen, Jungen zwar auch, aber das ist nicht gleiche. Bei diesen Anlässen habe ich meiner Mutter im geholfen."
Luisa Tamalo, Vanessas Mutter dazu: "Mir war früh klar, dass ich ihn nicht ändern kann. Ich habe mir gesagt, er wird selbst rausfinden, was für ihn am besten ist."
Ketten aus Süßigkeiten. Sie feiern ihren Schulabschluss. Bei Festen drohen in Tonga regelmäßig die Tische unter dem vielen Essen zusammenzubrechen. Ferkel sind besonders beliebt und alles ist hier etwas größer. Joey ist auch da. Sie hat nach dem Miss-Galaxy-Abend noch die ganze Nacht gekocht, für ihre Chefin, Prinzessin Pilolevu. Joey wird wegen ihrer vielen Talente heute überall geschätzt. Doch in der Jungend haben es viele Leitis schwerer. In der Schule oft gehänselt - und manche Väter schrecken nicht vor Prügel zurück, um ihre femininen Söhne männlich zu machen.
Joey Mataele erinnert sich: "Einer meiner Brüder machte mir Angst, er zwang mich, wie ein Mann zu reden und mich auch so zu benehmen. Wenn ich nicht gehorchen würde, wollte er mich schlagen. Aber das hat mich nicht geändert."
Als Erwachsene werden Leitis auf Tonga akzeptiert

Besuch bei Joeys Vater. 22 Kinder aus drei Ehen, Joey ist das jüngste, dazu kommen etwa 20 uneheliche. Er hat Joey immer unterstützt, ob männlich oder weiblich war ihm egal. Gott, meint er, habe die Menschen gemacht wie sie nun mal sind.
Dass Leitis als Erwachsene auf Tonga so akzeptiert werden, liegt auch an ihrem gesellschaftlichen Engagement von AIDS-Aufklärung an Schulen, über ehrenamtliche Arbeit in Alten- und Behindertenheimen bis hin zur Miss-Galaxy-Wahl.
"Er heißt wie ich Joe. Das Y bedeutet, dass er ein gewisses Extra hat. Joey hilft mir viel, und nicht nur uns hier, der ganzen Familie, er kümmert sich um alles", sagt Joe Mataele, Joeys Vater.
Der letzte der Abend der Miss Galaxy Wahl. Prinzessin Pilolevu ist wieder in der ersten Reihe. Vor 14 Jahren gab es die erste Mal Miss Galaxy in kleiner Runde. Mittlerweile ist es die größte Show des Landes - mit mehreren 1.000 Zuschauern.
Hinter der Bühne ist nicht nur Amy ist erschöpft von den vielen Auftritten: "Ich hoffe, es ist jetzt bald Schluss", sagt Vanessa. "Mein ganzer Körper tut weh."
Tamara darf heute länger aufbleiben und schaut zu, wie Mama den Namen der Siegerin verkündet. Es ist Rasa Maya Douglas Tania aus Neuseeland. Doch um Sieg und Niederlage geht es gar nicht. Die Miss Galaxy-Wahl ist vor allem ein Dankeschön der Leitis an die Bevölkerung von Tonga - weil sie hier so akzeptiert werden, wie sie nun mal sind.
Autor: Mario Schmidt, ARD Studio Tokio"





LG, ciao,

Miri
 
Danke Miri!

sag ich doch immer, in Deutschland, Österreich z.B. sind die Menschen total zugeknöpft.
Da musst du wirklich Angst haben, zusammengeschlagen zu werden, wenn du als Mann erkannt wirst.

Diese Engstirnigkeit und dieser "Tunnelblick" geht mir jeden Tag wieder fürchterlich auf die Nerven. Aber ich bin bereit mich zu erheben, und für meine Rechte zu kämpfen (und auch für andere die so denken und fühlen wie ich). Mal sehen wie es in nächster Zeit weiter geht.

lg,
chris
 
Gerne, Chris!

Es ist wirklich schade, dass man so ein enges Rollenverständnis existiert - auch heute noch.

Gewaltanwendung finde ich generell indiskutabel, aber in diesem Fall würde es zeigen, dass diese Leute wohl selbst noch ganz andere Probleme haben!

LG, ciao,

Miri
 
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