Die "Nervenstärke" habe ich mir über die Jahre hinweg zugelegt

. Die ist auch erst langsam gewachsen. Genauso wie mein Selbstbewußtsein.
Vor 20 Jahren hätte ich mir im Traum nicht vorstellen können, was ich heute als Frau gekleidet, so alles unternehme. Und Interaktion ergibt sich einfach. Ich versuche nicht so tief und aus dem Brustraum heraus zu sprechen. Spreche als Frau generell leiser und versuche die femininen Gesten und Bewegungen nicht zu vernachlässigen.
Und ansonsten bin ich Kunde. Und von dem was ich kaufe, wird das Gehalt der Angestellten gezahlt. Das wissen die zu mindestens 98% sehr genau.
Aber auch echtes Interesse konnte ich erleben. Freundliche Nachfragen, warum ich als Mann denn so etwas unbequemes wie Absatzschuhe tragen würde. Oder die Perücke und das Makeup. Und einige wenige konnten das sogar nachvollziehen. Fanden im Gespräch selbst heraus, dass es für die Männerwelt, zumindest was es die Mode und die Farben betrifft, eher düster aussieht.
Schwarz, grau, blau und vielleicht einmal ein kleines bißchen Farbe im Oberhemd. Welche Möglichkeiten haben da doch die Frauen. Alle Farben des Regenbogens! Hosen in eng oder weit, lang oder kurz. Leggings, Kleider und Röcke in allen möglichen Längen, Farben, Mustern und Formen. Dazu Strumpfhosen in allen den Stärken. Und erst einmal die Schuhe, ein unendliches Thema.
Als echter Gipfel bot sich eine Apothekerin sogar einmal an, mich durch die Läden im Einkaufzentrum zu begleiten. Ich hatte ein spezielles Abdeck-Makeup bei ihr gekauft um zumindest für ein paar Stunden meinen Bartschatten wegschminken zu können. Sie wollte wissen, wie denn die Menschen um mich herum reagieren, nachdem sie erst bei meiner Stimme überhaupt stutzig geworden war.
Und nirgends wurde "entsprechend" oder wie befürchtet reagiert! Nicht bei Deichmann, nicht im Strumpflädchen, nicht bei P&C oder C&A. Auch bei Ulla Popken ist man große, oder lange Kundinnen gewöhnt. Und wer einen Einkaufswagen durch die Gänge des Rewe Marktes schiebt, will sicherlich nur eines,............ schnell noch zu Feierabend einkaufen, wie die meisten anderen Kunden auch.
Vielleicht liegt es daran, dass ich eben nicht übertrieben aufgedonnert und gestylt losziehe, sondern wie Lieschen Müller von nebenan. Allerdings wurde ich vor ein paar Wochen dafür bewundert "bei dem Wetter" in hauchdünnen Strümpfen auszugehen. Ich war, nach Angaben der Kassiererin bei Karstadt, die erste Kundin des Tages die so gekleidet war. Kniebedeckter Rock, Bluse, Jacke, 20den Strümpfe und halbhohe schwarze Pumps.
Der Trick liegt offensichtlich darin, einigermaßen authentisch auszusehen und sich zu geben.