Maschen impossible - Strumpfhosen in der Pubertät

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teka

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Strumpfhosen waren etwas für Mädchen - eine transparente Sache und sie sahen darin auch deutlich besser aus, natürlich vor allem in den einseitig fixierten Augen eines pubertierenden Jungen. Erotik pur - wie weit waren wir im Schulalter von diesem Erlebnis entfernt ?
Das zarte Pflänzchen der eigenen stimulierenden Gefühle und die kalte Welt des Allesfalschmachens, wie wollte man als 11-jähriger das alles vereinbaren ?

Das Tragen von Strumpfhosen war in der Klassengemeinschaft eines Jungengymnasiums absolut falsch, da gab es überhaupt nichts zu deuteln. Selbst die lange Unterhose beförderte das eigene Image auf einen unerträglichen Tiefpunkt, dann erst recht die Strumpfhose. Wer das tat, war draußen - da waren zwar die Beine warm, aber man bekam die ganze Kälte der ständig mobbenden Sozialgemeinschaft eines willkürlich zusammengesetzten Klassenverbandes zu spüren.
Wer diese Regel ignorierte, der hatte nichts mehr zu lachen - besser gesagt: wer sich dabei erwischen ließ -und darauf geachtet wurde vor allem in der Sportumkleide, dem eigentlichen Hort des Spotts und der Demütigungen. Neben körperlicher Entwicklungsrückstände traten hier natürlich auch kleidungsmäßige Fehlgriffe bei der Unterwäsche gnadenlos an die Oberfläche.
In Nachhinein würde ich fast verlangen, dass Sammelumkleiden für 10-18 Jährige generell verboten sein sollten, zu sehr leidet doch die Entwicklung der individuellen Persönlichkeit unter diesem architektonischen Desaster. Noch heute wird mir speiübel, wenn ich diesen Geruch von männlichem Pubertätsschweiß in der Nase habe, diese Duftmarke unerbittlicher Rivalität.
Dummerweise war ein Gymnasium, das in diesen Jahren etwas auf sich hielt, eine Bildungsstätte mit hochsportlichem Anspruch, so dass der Sportunterricht viermal die Woche stattfand.
Das hieß viermal die Woche: "Maschen impossible"

Wie taten sie mir leid, die armen Kerle, die sich daheim gegen die Mutter nicht durchsetzten konnte und trotz aller unerbittlichen Regeln in der Umkleidekabine als Weichei auftraten und wie habe ich sie insgeheim beneidet, dass ich sie sich eine derart verständnislose Mutter hatten, die ein Ausscheren nicht zuließ.
Ein offenes Eintreten für diese Außenseiter kam natürlich auch nicht in Frage. Immerhin gehörte ich nicht zu denen, die diese Verurteilung mitmachten - ich schwieg einfach und verzichtete. Damit war zwar mein sozialer Stand weitgehend gesichert, allerdings fehlten mir vier Tage in der Woche Genuss und so ganz wohl fühlte ich mich auch nicht in meinem Verhalten. Aber an ein Durchbrechen dieser Wand war überhaupt nicht zu denken.

Dabei war es ziemlich offensichtlich, dass in den frühen 70er-Jahren die Strumpfhose ein häufig genutztes Kleidungsstück war, auch bei den Jungen dieses Alters. Wenn man sich privat (also außerhalb der Schule) traf, fiel es schon auf, dass die Meisten durchaus auch davon Gebrauch machten.
Was aber trieb all diese Jungs dazu, in der Schule ganz anders aufzutreten und sich im Zweifelsfalle völlig zu verleugnen ?
Ein - auf eine offensichtliche Nebensächlichkeit - fixiertes gruppendynamisches Phänomen, dass Seinesgleichen sucht. Zu einem gewissen Teil war es sicher ein Symbol dafür, ob man sich gegen die Mutter durchsetzen konnte oder nicht. Ein Zeichen des Abnabelns, wer das konnte, der kam halt ohne, auch wenn es bitterbösekalt war.
Aber vielleicht hatte es ja bei den meisten - wenn nicht sogar allen - auch eine erotische Symbolik, die halt auf das weibliche Geschlecht hindeutete.
Und weiter gedacht, könnte man vermuten, dass viele (vielleicht auch alle) in der begründeten Angst lebten, mit dem Tragen von Strumpfhosen auterotische Gelüste zu demonstrieren. Bei genauerem Hinsehen fiel nämlich auf, dass die lautesteten Töne gegen die Strumpfhose von denen kam, die ständig auf eine weiter fortgeschrittene Sexualität hinwiesen - in der Pubertät sicher das dominante Ereignis. Unverständlich eigentlich, dass ausgerechnet diese Jungs ihre Profilierung über die Strumpfhose in einer Zone der sexuellen Neutralität vollziehen sollten.
Also liegt der Verdacht nahe, dass die diese Zone alles andere als sexuell neutral war und dass die erotische Fixierung auf eigenen Erlebnissen und Phantasien beruhte.
Nirgendwo wird mehr gelogen als beim Sex - eine alte Behauptung, die ich nicht so ganz teile, denn IMO liegt das nur an zweiter Stelle.
Auf Platz eins gehören meiner Meinung nach die Lügen über die Selbstbefriedigung und deren Grundlage, die erotischen Phantasien.

Die Welt der Erotik in der Pubertät ist die Welt der Phantasie, die Bilder, die uns überfluteten, der Input, der kaum noch zu kontrollieren war. In den frühen 70er taten die Mädchen und Frauen ja auch ihr Übriges -Minirock und Strumpfhose hatten Hochkonjunktur und kaum ein 12-13 Jähriger hatte die reelle Chance, an diese weiblichen Geschöpfe dran zu kommen.
Also halfen die Träume mit - am Tage und vor allem in der Nacht, diese Reizüberflutung abzubauen.

Das alles führte dem Einstieg in das Doppelleben, das zur Selbstverständlichkeit wurde und nur mit größten Überwindungen und von massiven Ängsten begleitet wieder rückgängig gemacht werden kann.
Doppelleben, - im Außenleben normal bis neutral, keine Strumpfhosen und auch sonst keine Dinge, die gegen irgendeine Regel des Sexualverhaltens verstoßen konnten - total normal eben. So weit gehend, dass sogar eine normale Partnerschaft dabei herauskommen konnte.
Im Innenleben jedoch eine ganz andere Situation, heimliche Dinge, die keiner wissen durfte -durch mangelnden Austausch mit der Außenwelt nur durch eigenes Tun weiterentwickelt, schlummerte ein ständiger Reiz der jederzeit aktiv werden konnte.

Begonnen hatte also alles mit der Strickstrumpfhose, die von Mutter fürsorglich verordnet wurde. Eine Sache die in der Pubertät dann aber intensiv "verfeinert" wurde, kein Wunder, waren doch die Feinstrumpfhosen ein Schritt, der, in der Heimlichkeit unbemerkt für die Außenwelt, genussvoll vollzogen werden konnte.
Fast unbemerkt sollte man besser sagen, denn es gab ja immer noch die unvermeidliche Schnittstelle mit der Außenwelt beim Strumpfhoseneinkauf.
Aber das ist ein anderes Thema.

Grüße
teka
 
Hallo teka!
Bei Deinen Reminiszenzen über die frühen 70er Jahre kamen mir auch Erinnerungen auf. Tatsache ist, dass fsh damals eine Hochblüte haben . Ich erinnere mich noch gut, wie die Mädchen unserer Klasse meistens ab 13,14 ihre ersten fsh trugen. Hatten sie vorher diese üblichen Strickstrumpfhosen (gerippt in blau, rot oder weiss), so wurden sie dann mit einem mal hochinteressant und ich konnte nicht mehr meine Blicke von diesen Beinen wenden und spürte den Wunsch, selber auch so etwas tragen zu "dürfen". Mir ist es wohl auch ähnlich wie Dir gegangen, nie und niemandem hätte ich davon erzählt. Erste Gespräche unter uns Jungs, wo es um Sex und Erotik ging, hatten niemals Bezug zu Nylon, und auch wenn meine Assoziationen schon damals mehr als ausgeprägt waren, so behielt ich dies für mich und dachte sogar noch "mit mir stimme einfach etwas nicht". Auch das Mobbing in den Umkleidegarderoben vor und nach dem Sportunterricht ist mir in Erinnerung und ich achtete beflissentlich darauf, nicht Zielscheibe dafür zu sein. Jugendliche können viel grausamer als Erwachsene sein, und allzuschnell kommen da Worte wie "Tunte", oder "Muttersöhnchen".
 
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