Als ich meinen Post am Mo, 10.11. kurz vor Mitternacht schrieb, waren die Eindrücke meines Experiments „Ich im Rock unterwegs“ noch ganz frisch. Au man! Wie lange hatte ich mir das mal vorgenommen und hatte mich nie getraut! Jahrzehnte? Nicht immer, aber immer mal wieder habe ich darüber nachgedacht. Und es nicht gemacht. Entsprechend war ich aufgekratzt, stolz auf meinen Mut.
Und ja: Das erst Mal hat mich richtig gekickt. Wieviele Gedanken hatte ich mir über meinen Style gemacht: Ich wollte mich auf keinen Fall als Einhorn oder als Greis in Teenie-Kleidung lächerlich machen. Ein Bild habe ich hier in die Medien gestellt und habe dort Lob bekommen (
@Tria : Danke!). Es sollte ein Stil sein, bei dem ich noch Mann bleibe, der in gewisser Weise androgyn ist und den Frau auch so auf der Straße tragen könnte. Das hat vielleicht sogar geklappt.
Und ich bin immer noch stolz darauf, dass ich es gemacht habe. Nun weiß ich, wie es sich anfühlt. Wie ich geschrieben habe: Eine Bereicherung meines Lebens! Denn ich habe mich getraut, habe es ausprobiert, habe meine Komfortzone verlassen. Kein Maybe mehr… Ich bin die Zweifel los, wie es wohl wäre… Das ist gut so.
Mit etwas Abstand weiß ich, dass der Kick aus der Überwindung kam. Die Tatsache, dass ich vom 10m-Turm gesprungen bin. Der Flug und die Eintauchphase waren aber nüchtern betrachtet und rückblickend so lala.
Ich war öffentlich auf den Straßen, in U- und S-Bahn unterwegs; war in einer kleinen Musikkneipe. Allein, ohne Begleitung. Ich habe keine wirkliche negativen Erfahrungen gemacht. Ich wurde nicht doof angemacht oder so. Ich wurde angeschaut; neutral bis kurios, evtl. auch mal etwas mitleidig (Der Alte im Rock...). Ich habe in den Blicken auch nicht einen Funken von Anerkennung wahr genommen. Null Komma Null. In dem Konzert habe ich meinen Sitznachbarn angesprochen; zur Musik; da kam keine Gespräch zustande. Der Alte war ihm wohl zu spooky.
Wie ich schon an anderer Stelle geschrieben habe, liegt ein Teil meiner Motiviation für fsh und einem gewissen Cross Dressing, vermutlich auch in einer Art Snobismus: „Seht her, ich bin anders! - Ich bin nicht wie Ihr!“. Vielleicht eine Art, aus den Zwängen und Anforderungen des Alltags auszubrechen. Oder auch gegen die vermeintlichen, geschlechterspezifischen Anforderungen der Gesellschaft an mich als Mann zu rebellieren. "Ich bin ein Mann und das ist gut so, aber ich kann und will mehr!“ Zumindest ein ganz klein bißchen.
Und das hat überhaupt nicht geklappt, denn ich habe an keiner Stelle, nicht mal ein klein bißchen, das Gefühl gehabt, dass das irgendwie gesehen wird. Das hat mich sehr enttäuscht. Aber wenn ich ehrlich bin, ist das nicht überraschend. Da war wohl einfach nur ein (alter) Mann im Rock unterwegs.
Ich werde das so, allein in der Öffentlichkeit, vermutlich nicht mehr machen. Gut möglich, dass es mir beim zweiten Mal sogar noch weniger gefallen würde, denn der Kick des Ersten Sprungs ist ja weg.
Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, dass in geschützten Räumen oder zusammen mit Gleichgesinnten zu wiederholen. Zusammen mit anderen „bekloppten“ kann mich sich gegenseitig die Anerkennung geben, die ich suche. Ist ja auch nur zu menschlich: Sonst würden Fussballfans nicht immer in Gruppen auflaufen… Aber diese Räume und Gleichgesinnten zu finden, ist nicht so einfach. Wir werden sehen.