Hallo,
zum Thema Kirche würde ich auch gerne ein paar Worte schreiben.
Ich sehe die Kirche nicht als eine Gesamtinstitution. Vielmehr besteht sie für mich aus zwei Teilen, nämlich die Kirchenführung auf der einen und die Basis auf der anderen Seite.
Die Geschichte der Kirche ist teilweise eine wirklich schlimme. Viele Untaten sind in ihrem Namen begangen worden. Aber während Kirchenobere noch heute - aus meiner Sicht - noch Verbrechen begehen, sieht es an der Basis oft anders aus. An der Basis, oder anders formuliert, in den Gemeinden, stehen erstmal die Menschen mit ihren Sorgen und Nöten im Vordergrund. In einer Zeit, wo gerade ältere Menschen immer weiter ausgegrenzt werden, findet sich in den Kirchengemeinden nach wie vor ein Platz für diese Menschen. Ich möchte da mal ein paar Beispiele geben, was ich dort, wo ich wohne, immer wieder erlebe.
In der hiesigen Kirchengemeinde gibt es eine Art Verein, der sich "die grünen Damen" nennt. Es ist ein Kreis von Menschen, der sich auf Initiative und mit Unterstützung der Kirche zusammengefunden hat, um alte Menschen zu betreuen, die noch alleine wohnen, aber nicht mehr alleine zurecht kommen.
Mein Vater ist schon lange Mitglied dort und ich befinde mich gerade in einer Art Aufnahmephase. Zusammen betreuen wir einen Mann, der über 80 Jahre alt, halb blind und gehbehindert ist. Dazu hatte er schon zwei Schlaganfälle und er ist - gelinde gesagt - ein schwieriger Mensch. Wir gehen für ihn einkaufen, kümmern uns um seine Sorgen und Nöte, erledigen Amtsgänge und unternehmen regelmäßig etwas mit ihm. Dieser Mann wäre normalerweise in einem Altersheim ohne individuelle Betreuung und würde wahrscheinlich mehr vor sich hin vegitieren. Damit aber alte Menschen vor einem solchen Schicksal bewahrt werden, versuchen die grünen Damen sich um diese Menschen zu kümmern. Ihr Leben soll - soweit das noch möglich ist - lebenswert bleiben. Sie sollen zuhause wohnen ( was für alte Menschen extrem wichtig ist ) und dabei soziale Kontakte haben und gut versorgt sein.
All dies wird ehrenamtlich getan. Es geschieht aus Nächstenliebe. Und das ist eine Seite der Kirche, die man nicht vergessen sollte. Es gibt soviele Menschen, um die sich niemand außer der Kirche noch kümmert. Die Kirche bzw ihre Vertreter organisieren ein aktives Gemeindeleben. Jede Woche gibt es zb einen Gemeindenachmittag. Wer nicht mehr in der Lage ist, selbstständig dort hinzukommen, wird kostenfrei dort hin und wieder zurückgebracht. Gleiches gilt für viele andere Veranstaltungen oder die Kirchgänge. Ich habe hier von der Kirche schon soviel Gutes gesehen, dass es mir schwer fällt, mich manchmal daran zu erinneren, dass es auch Kirchenobere gibt, die mir zutiefst mißfallen.
Kirche heute ist eben auch oftmals viel soziale Arbeit. Eine Arbeit, die sonst von keinem gemacht wird. Denn sie ist unattraktiv, kosten- und zeitintensiv und bringt keinen Profit.
Aber nicht nur alte Menschen werden hier betreut. Ich fand es sehr überraschend, aber auch toll, dass sich nach meinem Umzug hierher der hiesige Pfarrer persönlich bei mir vorgestellt und mit mir zwei Stunden über Glauben, Kirche usw unterhalten hat ( das ist hier übrings normal so, so wird jedes neue Gemeindemitglied begrüßt ). Wir haben auch über die Arbeit der Kirche hier gesprochen und ich wurde befragt, was ich davon halte, was ich gut finde und was ich kritisiere. Ich bin nun ein Mensch, der nur sehr selten in die Kirche geht. Trotzdem befasse ich mich mit dem Glauben und der Kirchenarbeit. Meine Standpunkte wurden ohne dogmatische Diskussionen so akzeptiert. Sicherlich mag das von Pfarrer zu Pfarrer verschieden sein, aber hier hatte ich es mit einem zu tun, der vor allen Dingen erstmal am Menschen Interesse hatte.
Ich gebe zu, meine Ansichten sind natürlich stark beeinflußt durch meine persönlichen Erlebnisse. Aber ich habe hier auch so richtig gelernt, dass man die Kirche sehr differenziert betrachten muß.
Zum Thema Glauben und den Empfindlichkeiten bei Kritik daran - oder auch Witzen darüber - kann ich nur sagen, dass das Ganze eben ein empfindliches Thema ist, weil der Glaube bei vielen Menschen einer der zentralen Stützpfeiler ihres Daseins ist. Sägt man daran, dann kann es auch zu empfindlichen Reaktionen kommen. Auch der gläubige Mensch ist eben nur ein Mensch mit all seinen Schwächen.
Noch schwieriger wird es, wenn wir uns den Islam anschauen. Sinngemäß hat Peter Scholl-Latour mal geschrieben, dass der große Unterschied zwischen dem Christentum und dem Islam darin besteht, dass in der westlichen Welt eine Trennung vorgenommen wird zwischen Staat, Religion und Gesellschaft, in der islamischen Welt dagegen all dies eine untrennbare Einheit ist. Dies zu realisieren sei eine Grundvoraussetzung, um den Islam zu begreifen. Wenn wir uns also wundern, warum im Islam teilweise Witze über die Religion auf breiter Ebene so ernstgenommen werden, dann findet sich in der Aussage von Scholl-Latour die Begründung dafür.
Es gibt einen Ausspruch, der viel wahres an sich hat. Diskutiere nie über Politik oder Glaube mit Leuten, die du nicht kennst. Denn nirgends wirst du auf mehr Empfindlichkeit treffen als bei diesen beiden Themen.
Wir alle haben so unterschiedliche Ansichten zum Glauben und zur Kirche. Die Bandbreite der Wertigkeit des Glaubens geht vom Atheisten bis hin zum sehr gläubigen Menschen. Oder mit den Worten der Werbung gesagt : Für die einen ist es nur ein Schokoriegel, für die anderen die längste Praline der Welt. Und gerade weil so viele der Glauben so beschäftigt und er für einige so immens wichtig ist in ihrem Leben, ist manchmal die Empfindlichkeit so hoch. Das sollte man respektieren und sich mit Witzen darüber etwas zurückhalten.
So, ich hab fertig ( und Hunger )
Gruß
Moreau